Das Geschäftsmodell

Was ist ein Geschäftsmodell

Ungefähr bis zur Jahrtausendwende wurde weltweit nur das als innovativ angesehen, was sicht- oder anfassbar war. Innovationen entstanden in Laboren oder in Werkhallen, an Reißbrettern und zunehmend an Rechnern.

So kam es, dass es einige Zeit brauchte, um den Erfolg vieler Softwareunternehmen am Neuen Markt zu Beginn des Jahrtausends nicht nur neuen Technologien zuzuschreiben.

Es war die Geburtsstunde des Geschäftsmodells (engl. Business Model). Als einer der Ersten verwendete Paul Timmers 1998* den Begriff, als er, damals Berater der Europäischen Kommission in Fragen elektronischer Märkte, einen begrifflichen Rahmen für die stark wachsenden eBusiness-Anwendungen suchte.

Timmers verwendete den Begriff „Produktarchitektur“, der später zu „Wertschöpfungsarchitektur“ wurde. Damit wird klar, dass ein Geschäftsmodell mehr ist als ein bloßes Rezept; es ist das Zusammenspiel verschiedener Komponenten, die den Kunden, den Markt und das Unternehmen verbinden.

Joan Magretta erweiterte 2002 das Verständnis des Begriffs, indem sie in Anlehnung an den Management-Guru Michael E. Porter eine der noch heute am weitesten verbreiteten Definitionen schuf. Sie sagte sinngemäß, dass ein Geschäftsmodell stets vier Fragen zu beantworten habe:

weristdiezielgruppe Wer ist die Zielgruppe?
Group Was ist der Mehrwert für die Zielgruppe?
Group Wie wird Geld verdient?
Group Wie wird ein profitabler Wertschöpfungsprozess organisiert?*

Die Kraft neuer Geschäftsmodelle

Welche Kraft neue Geschäftsmodelle haben können, zeigt das Beispiel Airbnb. Das
Unternehmen macht heute nichts anderes als es Hotels seit Jahrhunderten tun: Es vermietet
Betten an Reisende. Nur macht Airbnb es anders, es vermietet fremde Betten und generiert
einen Mehrwert daraus, als Plattform Nachfrager und (Privat)Anbieter zusammenzubringen.
Anders als ein Hotel besitzt der weltweit größte Beherbergungsanbieter keine eigenen Betten.
Du erkennst, welche Kraft hinter neuen Geschäftsmodellen stecken kann? Um erfolgreich zu
sein, braucht es nicht zwingend ein neues Produkt oder eine neue Technologie, oft reichen
neue Geschäftsmodelle aus, um eine ganze Branche zu verändern.

Geschäftsmodellinnovationen

Überlegt ein Restaurant, künftig einen Lieferservice anzubieten, denkt es über eine
Geschäftsmodellinnovation nach. Eine solche liegt immer dann vor, wenn ein Unternehmen
mindestens eine der vier Fragen von Joan Magretta anders beantwortet, als es bisher der Fall
war. Aus Forschung und Praxis weiß man mittlerweile, dass erfolgreiche
Geschäftsmodellinnovationen immer mindestens zwei Bereiche eines Geschäftsmodells
verändern. So ist mit dem Angebot des Lieferservice durch das Restaurant vermutlich auch
eine neue Zielgruppe verbunden. Auch ist es wahrscheinlich, dass sich neben dem
Wertschöpfungsprozess das Preismodell verändert im Vergleich zum Restaurantbesuch.

In meiner Praxis haben sich Muster von Geschäftsmodellen als überaus hilfreich erwiesen,
wenn es darum geht, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Solche Muster sind so etwas
wie „branchenübliche Antworten“ auf die vier Fragen Magrettas. Sie helfen, Märkte und
Wettbewerber zu verstehen und durch das Übertragen bestehender Muster aus anderen
Branchen ein eigenes innovatives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Bekannt sind Muster wie Freemium oder das berüchtigte Razor und Blade-Modell, bei dem
dadurch Gewinne erwirtschaftet werden, indem das Grundprodukt (ein Rasierer, ein Drucker
oder ein Kaffeeautomat mit Kapseln) sehr günstig abgegeben wird. Der eigentliche Gewinn
aber wird langfristig mit dem teuren Verbrauchsmaterial wie Rasierklingen, Druckerpatronen
oder Kaffeekapseln erzielt. Diese können deshalb so teuer sein, weil das eigene
Verbrauchsmaterial nur zu den günstig abgegeben Basistechnologien kompatibel ist, und
weil der Kunde durch den Erwerb der Hardware an die Technologie gebunden wird (im
Englischen heißt es „lock-in“). Ein Team um den Wissenschaftler Oliver Gassmann hat eine
schöne Zusammenfassung möglicher Muster erarbeitet.*

Darstellung von Geschäftsmodellen

Die Abbildung des Bauplans eines Unternehmens ist gar nicht so einfach. Eine Abbildung ist
kein Businessplan, sie muss viel übersichtlicher sein. Also muss man abstrahieren.
Gleichzeitig aber darf die Darstellung auch nicht zu allgemein geraten, sie muss spezifisch
bleiben. In der Balance zwischen Weglassen und Pointieren liegt die hohe Kunst bei der
Abbildung eines Geschäftsmodells.

In der Praxis existieren eine Reihe von Darstellungsformaten. Die wohl bekannteste ist der
Business Model Canvas mit seinen neun Feldern und einem Fokus auf dem
Wertschöpfungsprozess. Daneben gibt es den Business Model Navigator, der im Wesentlichen
die vier Fragen Magrettas beantwortet und noch komprimierter ist als der Business Model
Canvas.

Die mir liebste Darstellungsform ist der Lean Canvas. Im Unterschied zu den beiden anderen
Formen berücksichtigt er Markt und Wettbewerb und bringt dadurch eine strategische
Perspektive ein. Ein guter Lean Canvas beantwortet, in der gebotenen Kürze und Prägnanz,
die vier Fragen Magrettas (Kunde, Mehrwert, Ertragsmodell und Wertschöpfungsprozess) und
ergänzt die Fragen nach dem Markt und der Positionierung. Und das alles auf einer Seite.