Ein Beispiel: ebuero
Zu Beginn des Jahrtausends hatte der Siegeszug des Internets begonnen. Unternehmen
begannen, auf digitalisierte Geschäftsprozesse zu setzen und nutzten zunehmend die Vorteile
neuer Technologien. In der Kundenkommunikation, insbesondere bei der Kundengewinnung,
dominierte jedoch nach wie vor das Telefon. Es gab Gelbe Seiten und
Lieferantenverzeichnisse, Adresshändler und Auskunfteien gehörten noch zu den florierenden
Geschäftsmodellen.
In dieser Zeit kam mein Kommilitone Holger Johnson in Berlin auf die Idee, ein Problem vieler
Selbstständiger mithilfe einer Software zu lösen. Ausgangspunkt war ein Problem, unter dem
er als Unternehmer selbst seit Langem litt: Erreichbar zu sein, wenn man selbst nicht kann
und sich kein eigenes und teures Backoffice leisten möchte.
Holger, selbst BWLer, tat sich mit einer Handvoll Freunde zusammen, die überwiegend
Techniker waren und entwickelte das ebuero. Ausgangspunkt seiner Idee war die Erkenntnis,
dass erreichbar zu sein bis dahin gemeinhin mit einem eigenen Büro mit Personal, einer
räumlichen und technischen Ausstattung und einer Kaffeemaschine verbunden war. So war es
bis dato üblich, immer und überall. Holger und sein Team rieben sich an dieser Konvention.
Und sie fanden einen Weg, sie außer Kraft zu setzen.
Was wäre, wenn man Bürotätigkeiten aufteilte; in Tätigkeiten, die wichtig waren und
regelmäßig anfielen, aber gleichzeitig nicht sehr anspruchsvoll und in solche, die
Insiderwissen erfordern und nicht standardisierbar erschienen.
Und was wäre dann, wenn man wichtige und standardisierbaren Tätigkeiten auslagern würde
an einen spezialisierten Anbieter?
Gedacht und umgesetzt, das ebuero war geboren. Holger und seine Freunde kauften eine
gebrauchte Telefonanlage und programmierten eine Anwendung, die es ermöglichte, im
Moment des Anrufes alle relevanten Informationen zu einem Kunden auf dem Bildschirm
anzuzeigen. Die Software war mit einem Mail-Postfach verknüpft und konnte Anrufnotizen
per Mail, als SMS und als Fax versenden. Kunden wiederum konnten individuelle Texte und
Ansagen, Zeitfenster für Termine oder Regeln zur Weiterleitung von Anrufen hinterlegen. Im
ebuero nahmen Sekretär*innen (Personal Assistants genannt) die Gespräche professionell
entgegen.
Der entscheidende Mehrwert des ebueros lag im Preis-Leistungs- Verhältnis. ebuero bot
Erreichbarkeit zu einem Bruchteil der Kosten an. Kund*innen zahlen zwar eine geringe
Grundgebühr (ab 39,- Euro/Monat), die eigentlichen Kosten sind nutzungsabhängig. Für
Kund*innen wurden aus den hohen fixen Kosten eines eigenen Office (Miete, Personal,
Büroausstattung) variable Kosten, da neben einer geringen Grundgebühr pro Anruf
abgerechnet wurde. Zahlen musste man nur, wenn man auch nutzte. Und die Nutzung hatten
Kunden stets selbst in der Hand: Sie leiteten ihre Anrufe ins ebuero um oder eben nicht. So
hatten Kunden die Möglichkeit, die Kosten für die Nutzung selbst zu steuern.
Zum Markteintritt gelang es dem Team, mit einem Berufsverband für Anwält*innen zu
kooperieren. Jedes Mitglied dieser für das ebuero sehr interessanten Zielgruppe erhielt einen
Rabatt. Die Ansprache erfolgte über eine extra Webseite für diese Zielgruppe. Mit der Zeit
wuchs das ebuero, baute seine Leistungen aus und ist heute einer der größten
Bürodienstleister in Europa. Ich war von 2001 bis 2004 Teil des Teams, war der allererste
Personal Assistant und konnte den Start und das Wachstum in den ersten Jahren in
verschiedenen Positionen mitgestalten.